35 Jahre Naturschutz in der Europäischen Gemeinschaft.
900 Jahre Tostedt, ein bemerkenswertes Jubiläum ! Daneben erscheinen die 30 Jahre unserer ehrenamtlichen Naturschutzarbeit in der Samtgemeinde Tostedt eher bescheiden. Jedoch – es gibt keinen Grund sich zu verstecken, denn wir haben in dieser eher kurzen Zeitspanne einiges bewirken können !
An den Mooren unserer Heimat lässt sich dies eindrucksvoll erkennen. Waren sie noch vor 30 Jahren ausgetrocknet und verbuscht, so sind sie heute wieder moorgetreu belebt. So ist seit 15 Jahren unser größter europäischer Vogel – der Kranich – schrittweise in unserer Samtgemeinde wieder heimisch geworden. Inzwischen kann fast jeder Bewohner unserer Region von Begegnungen mit diesem wunderschönen Vogel berichten. Unermüdlicher Einsatz lohnt sich also doch. Sicherlich ein Ansporn für uns, auf diesem Wege – projektbezogen – weiterzumachen.
Ein wichtiger Begleiter unserer Arbeit in Sachen Natur ist seit nunmehr 10 Jahren das Mitteilungsblatt des Arbeitskreises Naturschutz (AKN). Wer von uns hätte damals gedacht, dass es uns gelingen würde, jedes Jahr zwei Hefte mit Inhalt füllen und finanzieren zu können. Bis heute sind es stolze 21 Ausgaben geworden. Nicht zuletzt wurde dies durch mehrere großzügige Dauerspenden möglich. Umfasste die erste Auflage noch 100 Exemplare so sind es heute 350 – und das mit wachsender Tendenz! Stets war der Inhalt der Hefte durch vielfältige naturschutzfachliche Themen unserer Heimatgemeinden geprägt und zeigte gleichfalls die ganze Fülle unserer Arbeitseinsätze umfassend auf. So soll es auch bleiben. Und nun das ?!
Ja – unser erstes „AKN-Sonderheft" liegt vor! Aus gegebenem Anlass. Noch ein Jubiläum !
35 Jahre Naturschutz in der Europäischen Gemeinschaft. Keine runde Zahl, aber dennoch ein Anlass für einen Rückblick. Viele von uns haben bisher sicherlich wenig über den EU-Naturschutz gehört. Das soll sich ändern, denn der europäische Naturschutz braucht sich nicht zu verstecken. Im Gegenteil! Seit 1970 wurden eine Reihe bedeutsamer Trittsteine zur Erhaltung unseres europäischen Naturerbes – und damit auch für unsere Region – begründet. Das Ergebnis ist Natura 2000.
So oder ähnlich werden sich viele sicherlich fragen. Eine neue Agenda – ein Zeitplan also für die Natur ? Nein, kein neuer Plan, kein neues Vorhaben, sondern es ist der Abschluss eines ehrgeizigen Projektes der Europäischen Gemeinschaft (EU) zur Schaffung eines gesamteuropäischen Naturschutz-Gebietsnetzes. Seit Anfang der 70er Jahre ist der Naturschutz ein zentrales Anliegen der Umweltpolitik der EU. Neben der Achtung der vielfältigen Kulturen in der EU wurde die Bewahrung der biologischen Vielfalt, deren biologischer, ästhetischer und genetischer Wert unschätzbar ist, zu einem klaren politischen Auftrag erhoben. Die Sicherung des Fortbestandes dieses (unseres) Naturerbes ist seither ein vorrangiges Anliegen der Europäischen Union. Grundlage dafür sind zwei europäische Rechtsvorschriften: die Vogelschutzrichtlinie aus dem Jahre 1973 und die Lebensraumrichtlinie von 1992. Spezielle Finanzierungsinstrumente für den Naturschutz wurden vor ca. 20 Jahren geschaffen.
UNSER NATURERBE: reich, aber empfindlich!
Unser europäisches Naturerbe ist zwar noch reichhaltig, aber auch sehr empfindlich. Trotz der im Rahmen der Naturschutzpolitik der Mitgliedsstaaten der EU erzielten Erfolge nehmen die Bestände zahlreicher Tier- und Pflanzenarten ständig ab. Noch gibt es in der EU mehrere Tausend Lebensraumtypen, in denen 150 Säugetier-, 520 Vogel-, 180 Reptilien- und Amphibien-, 150 Fisch-, 10.000 Pflanzen- und mindestens 100.000 Wirbellosenarten leben. Diese Zahlen belegen den unermesslichen Reichtum des europäischen Naturerbes. Dieser Reichtum drückt sich nicht nur in der Vielfalt der Lebensformen aus, sondern auch in der Schönheit der Landschaften und bestimmt damit auch unsere Lebensqualität in Europa.
Von diesem schnellen und anhaltenden Rückgang sind nicht nur seltene Arten betroffen, sondern auch – zwei Beispiele aus der Vogelwelt – die von vielen so geschätzte Feldlerche und der bisher in vielen Gärten lebende Gartenrotschwanz. Heute sind die Hälfte der Säugetierarten und ein Drittel der Reptilien-, Fisch- und Vogelarten bedroht. So ist z.B. der Brachvogel so selten geworden, dass sein Überleben in naher Zukunft fraglich ist. Bei den Pflanzen sind nahezu 3000 Arten bedroht und 27 im Aussterben begriffen.
Dieser spektakuläre Schwund vieler Arten ist vor allem auf die Zerstörung der für ihr Überleben wichtigen Lebensräume (Habitate) zurückzuführen. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat die Intensivierung zahlreicher Tätigkeiten des Menschen – Siedlungsausdehnung, Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Energiewirtschaft, Verkehrswesen und Tourismus – zum Verlust bzw. zur Zersplitterung der natürlichen Lebensräume geführt. Wer kann als Mensch schon in einem halben Haus wohnen ? Flusssysteme wie z.B. das der Elbe einschließlich der kleinen Quellbäche wie der Hollenbeck in Handeloh, wurden in ganz Europa stark verändert und beeinträchtigt .
Bei anderen Lebensräumen (wie den Heide- und Moorlandschaften) beträgt der Rückgang bis zu 90 %. Jahrhundertelang wurden durch die Land- und Weidewirtschaft naturnahe Lebensräume gestaltet und erhalten. Die Änderung der Wirtschaftsweise und die Landflucht haben seit Beginn der 60iger Jahre zu einer allgemeinen Verarmung der biologischen und landschaftlichen Vielfalt geführt.
Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt Die zwei wichtigsten EU-Richtlinien1) für NATURA 2000
1. Die Vogelschutzrichtlinie Ein erster Schritt zur Eindämmung des Artenrückgangs.
Der Rat der Europäischen Gemeinschaft hat im Jahre 1979 die Europäische Vogelschutzrichtlinie als erste europäische Rechtsnorm auf dem Gebiet des Naturschutzes beschlossen. Ziel dieser Richtlinie ist die Erhaltung und der langfristige Schutz wildlebender Vögel und ihrer Lebensräume in der Gemeinschaft. Die Mitgliedsstaaten sind für den Erhalt all dieser Vogelarten, insbesondere der Zugvögel, die ein gemeinsames Erbe aller Europäer sind, verantwortlich. Für 180 Vogelarten, die aufgrund ihres geringen Bestandes bzw. ihrer begrenzten Verbreitung bedroht sind, gelten besondere Schutzmaßnahmen, z.B. für so bekannte Arten wie den Weißstorch, Schwarzstorch oder den Kranich. Daher wurden in der EU mehr als 1.600 Gebiete mit einer Fläche größer als die Benelux-Staaten (über 100.000 qkm) als besondere Schutzgebiete ausgewiesen. Dennoch gibt es in den meisten Mitgliedsstaaten noch viele Gebiete von vogelkundlichem Wert, die es darüber hinaus zu schützen gilt. Im Landkreis Harburg gehören die Ilmenau-Luhe-Niederung und die Untere Seeveniederung zu den EU-Vogelschutzgebieten der ersten Stunde (1979). Letztere ist sicherlich vielen bekannt durch das großflächige Vorkommen der Schachblume.
2. Die Lebensraumrichtlinie (FFH)2) Ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt.
Diese Richtlinie wurde 1992, dem Jahr des „Erdgipfels" von Rio, erlassen. Sie stellt die wichtigste Rechtsvorschrift der EU zum Erhalt der biologischen Vielfalt dar. Sie beinhaltet die Verpflichtung zum Schutz von Lebensräumen und Arten, die von gemeinschaftlichem, d.h. europäischem Interesse sind. Jeder Mitgliedsstaat der EU muss in seinem Hoheitsbereich Gebiete benennen, die für die Erhaltung der in der Richtlinie genannten Lebensräume und Arten unverzichtbar sind und verpflichtet sich, diese als besondere Schutzgebiete auszuweisen. In Deutschland und damit auch Niedersachsen können dies z.B. Naturschutzgebiete sein. In der Samtgemeinde Tostedt gehören aus der Fülle der bundesweit zu berücksichtigenden natürlichen und halbnatürlichen Lebensräume sowie der Tier- und Pflanzenarten folgende dazu:
Ø Fließgewässer (Flüsse und Bäche) mit ihren Tälern und Auen; feuchte Wälder; Ø feuchte Wildstaudenflächen (Hochstaudenfluren); Hoch- und Niedermoore; Ø Heideflächen Ø Als besondere Tierarten für unsere Region sind unter vielen anderen der Fischotter, der Kammolch, das Bach- und Flussneunauge, die Grüne Keiljungfer (Libelle) und - bei den Pflanzen - das äußerst seltene Vorblattlose Leinblatt zu nennen, das in Deutschland nur im Landkreis Harburg vorkommt.
Die FFH-Richtlinie besteht aus dem Gesetzestext und sechs Anhängen, von denen die Anhänge I und II die wichtigsten sind. Anhang I weist in einer Liste die bedrohten und zu schützenden Lebensräume auf, im Anhang II sind die diesbezüglichen Tier- und Pflanzenarten aufgelistet. Die in unseren späteren Gebietsbeschreibungen mit ¯ gekennzeichneten Lebensräume und Arten sind sogenannte prioritäre Lebensraumtypen bzw. Arten. Beiden kommt im Schutzgebietsnetz NATURA 2000 eine besondere Bedeutung zu, d.h. konkrete Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen sind vordringlich einzuleiten!
1) EU-Richtlinien sind EU-Gesetze, die einer speziellen Umsetzung in nationales Recht bedürfen, z.B. im Bundesnaturschutzgesetz. Dagegen gelten EU-Verordnungen direkt,ohne Umsetzung in nationales Recht.
Ein Blick auf die Karte auf den Seiten 10 und 11 macht schnell dreierlei deutlich:
1. Die Samtgemeinde Tostedt selbst ist komfortabel ausgestattet mit EU-Schutzgebieten. 2. Das langgestreckte FFH-Teilgebiet Obere Wümmeniederung verbindet über die gesamte südliche Breite der Samtgemeinde das riesige Schutzgebiet Lüneburger Heide im Osten mit dem großen Moorschutzgebiet Ekelmoor/Tister Bauernmoor im Westen und 3. alle 9 Gliedgemeinden der Samtgemeinde haben auf ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mindesten Teilflächen von Natura 2000-Gebieten.
Der unvoreingenommene Naturbetrachter, wie auch der intime Kenner unserer Samtgemeinde erlebt die Landschaft zwischen Seeve, Este, und Wümme, zwischen Heide und Wald im Osten und Norden und der Wiesen- und Moorlandschaft im Süden und Westen unserer Samtgemeinde als beeindruckend abwechslungsreich. Dieser Reichtum an Natur-Erlebnisvielfalt und – dieser Vielfalt Rechnung tragend – an FFH- und Vogelschutzgebieten in der Samtgemeinde Tostedt beruht auf zwei zentralen natürlichen Gegebenheiten:
1. Das Samtgemeindegebiet liegt im Übergangsbereich von 3 großen naturräumlichen Einheiten (s. Abb.): der Hohen Heide (im Osten), der Zevener Geest (im Zentrum und Norden) und der weiten Wümmeniederung im Süden und Westen und weist daher einen überdurchschnittlich großen Reichtum unterschiedlicher Landschafts- und Lebensraumtypen (Biotope) auf. 2. Im Bereich der Samtgemeinde kommen sich die landschaftsprägen-den Heide- bzw. Niederungsbäche Seeve, Este, Oste und Wümme mit ihren Oberläufen sehr nahe, so dass ihnen „von Natur aus" eine hohe Vernetzungsfunktion zwischen den Flusssystemen Elbe und Weser/Aller seit Alters her zukommt.
Im Zusammenhang mit dem großräumigen Naturgefüge der nordwestdeutschen Tiefebene gilt es nun, die verbliebene wertvolle Ausstattung der Samtgemeinde mit den genannten Naturschätzen verantwortungsvoll zu sichern und weiter zu entwickeln. Es erwachsen uns hier Aufgaben, die nicht nur den Naturschutzzielen von NATURA 2000 dienen, sondern mit gleichem Gewicht auch der Sicherung der Lebensqualität der Menschen hier vor Ort und der Attraktivität unserer Region. Es bieten sich große Möglichkeiten, Natur- und Landschaftsschutz, Landwirtschaft, Naherholung und sanften Tourismus in ein abgestimmtes Miteinander zu bringen, nicht zuletzt auch zum wirtschaftlichen Nutzen unserer Region. Wir haben hier landschaftsbezogen neben der Land- und Forstwirtschaft im Grunde doch nur noch unsere ererbten Naturschätze anzubieten. NATURA 2000 sollte als großartige Chance begriffen werden. Für gute Konzepte - Mensch/Region/Natur - gibt es sogar Geld aus Brüssel. Der Arbeitskreis Naturschutz wird sich sachkundig und engagiert in diese Arbeit einbringen. Es tut sich hier ein weites Feld für konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, dem behördlichen und dem ehrenamtlichen Naturschutz auf, das genutzt werden muss, auch und gerade weil es die Ebene der Bezirksregierung mit der Oberen Naturschutzbehörde nicht mehr gibt. Was gibt es nun aus naturschutzfachlicher Sicht zu tun ? Deutschland, die Bundesländer, konkret für uns hier das Land Niedersachsen, der Landkreis Harburg und seine betroffenen Kommunen haben dafür Sorge zu tragen, dass die bezeichneten Natura 2000-Gebiete auch national einen Schutzstatus erhalten, wenn sie diesen noch nicht haben. Sie müssen weiter dafür Sorge tragen, dass in diesen Gebieten keine Verschlechterungen für Flora und Fauna eintreten, insbesondere für die in den Anhängen I und II genannten Lebensraumtypen (Biotope) und Pflanzen- und Tierarten. Die Fachbehörden müssen zusammen mit den in dem jeweiligen Schutzgebiet wirtschaftenden Menschen ein von den Beteiligten getragenes Bewirtschaftungskonzept entwickeln. Ein Wirtschaften des Menschen mit und nicht gegen die vorhandenen Naturschätze ist die Auflage.
In ca. 6jährigen Abständen muss jedes Bundesland Bericht erstatten über den aktuellen Zustand und die Entwicklungstendenzen der FFH- und Vogelschutzgebiete in seinem Zuständigkeitsbereich.
Im Folgenden werden die Vogelschutz- und FFH-Gebiete unserer Region vorgestellt, einzeln und mit Hinweisen auf ihre funktionalen Zusammenhänge. Dabei wird sicherlich auffallen, dass manche der beschriebenen Gebiete nur FFH-, andere nur Vogelschutz-Gebiete sind, und einige beides zugleich. Dieser u.U. leicht verwirrende Tatbestand hat seinen Grund in der jeweils unterschiedlichen Naturausstattung der einzelnen Gebiete.
Naturräumliche Gliederung zum Vergrößern anklicken!
1. Die Wümmeniederung Eine Niederung mit Höhepunkten
FFH-Gebiet 38
In den Niederungen des menschlichen Lebens ist es meistens trostlos.Nicht so in der Natur ! In den niederen Lagen unserer Landschaften entfaltet sie nicht selten eine überreiche Lebensvielfalt. So denn auch in der Wümmeniederung – und das vom Quellgebiet östlich von Wintermoor bis hin zur Mündung in die Hamme, weit im Westen, nördlich von Bremen. Seine Ausprägung hat dieser flache Naturraum durch den kleinen Fluss Wümme erhalten, der auch heute noch in einigen Abschnitten mehr oder weniger natürlich mäandriert.
Für uns in der Samtgemeinde Tostedt geht es um die Obere Wümme-niederung (1) (Naturschutzgebiet seit 1986, betreut durch den AKN) zwischen Wintermoor und Königsmoor/B 75 und noch ein wenig darüber hinaus, bis nach Riepe/Stemmen. Ein Blick auf die vorangehende Karte zeigt die Grenzen und den Zusammhang des FFH-Gebietes mit einigen weiteren Schutzgebieten unserer Region auf, die auf Grund ihrer naturräumlichen Lage sämtlich in das FFH-Großgebiet Wümmeniederung aufgenommen wurden: So im Osten das Naturschutzgebiet Heidemoor bei Ottermoor und die Otterheide (1a) (geschützt seit 1978/79); im Westen unmittelbar hinter der Kreisgrenze zu Rotenburg die Naturschutzgebiete Schneckenstiege(1b) und Ekelmoor (1c) (über die beiden letzteren auf den nächsten Seiten mehr).
Die Bedeutung der Wümmeniederung für NATURA 2000 Die Wümme ist Hauptgewässer 1.Priorität des niedersächsischen Fliessgewässerschutzsystems und einer der für den Naturschutz bedeutendsten Tieflandflüsse Niedersachsens. Die Gründe dafür sind: - die hohe Vielfalt an Lebensraumtypen (Biotopen) und daher auch an Pflanzen- und Tierarten, von denen viele in ihrem Bestand bedroht sind. - die hohe Bedeutung als Vernetzungselement zwischen Elbe und Weser.
Die Wümme kommt in ihrem Oberlauf in der Samtgemeinde Tostedt sehr dicht an die Oberläufe von Seeve, Este und Oste heran, die alle zur Elbe entwässern. Die Vielzahl der fachlich unterschiedenen schutzwürdigen Lebensraumtypen ist für die Wümmeniederung so groß, dass hier nur die Obereinheiten genannt werden können (ausführliche Darstellungen siehe unter Literaturverzeichnis/Quellen oder direkt beim Arbeitskreis).
Lebensraumtypen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie
¯ Lebende Hochmoore (in meist kleinräumiger Ausprägung), auch Wollgras-Torfmoos- Schwingrasen ¯ Moorwälder wie Torfmoos-Birkenbruchwälder, Kiefern-Birken-Moorwälder, z.T. mit Gagelstrauchbeständen Ø Auenwälder mit Erle, Esche, Weide, auch flussbegleitend Erlensäume und Erlenquellwälder ØFließgewässer mit flutender Wasservegetation Ø Trockene Sandheiden mit Besenheide und Krähenbeere auf Dünen im Binnenland Ø Feuchtheiden mit Glockenheide ØFeuchte Hochstaudenfluren, Pfeifengraswiesen, magere Mähwiesen ØRenaturierungsfähige Hochmoor-Reste, Torfmoos-Schlenken
Sonstige Lebensraumtypen von landesweiter Bedeutung #
Wenige Hinweise an dieser Stelle noch zum Heidemoor bei Ottermoor und der Otterheide(1a), beide bereits seit 1978 durch den Arbeitskreis betreut. Diese kleinen, sehr wertvollen Schutzgebiete ganz am östlichen Rand der Wümmeniederung, auf dem Gebiet unserer Samtgemeinde, steuern einen beträchtlichen Beitrag an wertgebenden Lebensraumtypen und Tier- und Pflanzenarten zum Großgebiet der Wümmeniederung bei: lebende Kleinhochmoore, Wollgras-Torfmoos-Schwingrasen, Feuchtheiden und Gagelgebüsche, trockene Sandheiden auf Dünen im Binnenland u.a. Hinzu kommt eine ganze Reihe Tier- und Pflanzenarten als herausragende Zielarten des Naturschutzes.
Erläuterungen ¯prioritäre Lebensraumtypen bzw. Arten
# Unter diesem Titel sind solche Arten genannt, die nicht in den Anhangslisten der EU-Richtlinien stehen, aber landes- bzw. deutschlandweit wegen ihrer Gefährdung besonderen Schutz genießen. Das gilt auch für die unter dem Titel „Sonstige Lebensraumtypen..........." genannten Biotope. (Diese Erläuterung gilt für alle folgenden Gebiete)
Nicht ganz so gerade wie „an der Schnur gezogen" liegen diese Vogelschutzgebiete beiderseits der Landkreis- und Samtgemeindegrenze. Dennoch – jedes einzelne Gebiet darf man getrost als Perle des EU-Vogelschutzes ansehen. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich hier wieder eine Vogelwelt eingestellt, die über viele Jahre – wenn nicht über ein Jahrhundert – nahezu gänzlich verdrängt worden war. Schneckenstiege, Ekelmoor, Tister Bauernmoor, Großes Moor bei Wistedt und das Große Everstorfer Moor – das ist nicht nur eine namentliche Vielfalt. Jedes dieser Moore hat – schon wegen der jahrzehnte-, z.T. jahrhundertelangen unterschiedlichen Nutzungsarten durch den Menschen – einen unverwechselbaren Charakter. Und diese Unverwechselbarkeit wird bleiben, auch auf dem langen Weg der Renaturierung dieser Moore: eine spannende Geschichte auf lange, lange Zeit!
In diesem Gesamtgefüge der Moore bei Sittensen bildet vor allem das Ekelmoor (1c) zusammen mit der großflächigen ehemaligen Abtorfungsfläche des Tister Bauernmoores (2), nach dessen schrittweiser erfolgreicher Wiedervernässung seit 1998, eine für Brut- wie für Zugvögel hoch attraktive funktionale Einheit. Diese Attraktivität wird sich noch steigern durch die in den Jahren 2003 und 2004 erfolgte Wiedervernässung von größeren Arealen des Ekelmoores. Sie hat z.B. das Vorkommen unserer kleinsten Schnepfe, der Bekassine, schon gleich im ersten Jahr sprunghaft ansteigen lassen und sie wird den Moorbirken-Kiefern-Anflugwald massiv zurückdrängen zugunsten moortypischer Feuchtheiden- und Torfmoos-Gesellschaften, sowie von Hochstaudensümpfen.
Von einem gut positionierten Beobachtungsturm im Tister Bauernmoor kann man diese herrliche großräumige Moor- und Wasserlandschaft in all ihren Facetten wunderbar erleben. Man erkennt schnell, dass diese beiden durch ihre unterschiedliche historische Nutzung in ihrem jetzigen Zustand sehr verschiedenen Hochmoorreste zusammen unzweifelhaft das Herzstück des EU-Vogelschutzgebietes bilden, mit großer „Strahlkraft" in die Umgebung hinein. Und so belebt die inzwischen in allen genannten Mooren heimische Kranichpopulation seit Jahren schon unsere gesamte Region. Nur konsequent war es daher, auch die beiden Naturschutzgebiete unserer Samtgemeinde Großes Moor bei Wistedt und Großes Everstorfer Moor in das Vogelschutzgebiet Moore bei Sittensen mit einzubeziehen, liegen sie doch alle „nur wenige Flügelschläge" voneinander entfernt!
Bedeutung der Moore bei Sittensen für NATURA 2000 Der Kranich als der größte Vogel Europas ist daher auch für alle oben genannten Teilschutzgebiete die prioritäre (vorrangig) wertgebende Art. Für Ekelmoor und Tister Bauernmoor kommt noch die in ihrem Bestand stark bedrohte Kornweihe dazu. Doch die Liste der in diesem komplexen Vogelschutzgebiet brütenden und rastenden Vögel ist lang und voller spektakulärer Namen: Viele von ihnen sind selten geworden und daher in ihrem Bestand bedroht.
Ekelmoor/Tister Bauernmoor (1c/2) Neben Kranich und Kornweihe sind u.a. zu nennen: Wiesenweihe, Rohrweihe, Rotmilan, Seeadler, Sumpfohreule, Raubwürger, Krick-, Knäk- und Löffelente, Schwarzstorch, Bekassine, Kiebitz, Ziegenmelker, Feldschwirl, Schwarzkehlchen, Braunkehlchen, Neuntöter u.v.a. mehr. Von allen genannten Arten liegen Brutnachweise, mindestens aber Brutzeitbeobachtungen vor. Die Liste der Rastvögel umfasst mehr als 40 Arten!
Schneckenstiege (1b) Ein kleiner verheideter Hochmoorrest, dessen nasse Torfstichzonen z.T. stark von Moorbirken-Kiefern-Anflugwald bedrängt werden. Neben dem Kranich (seit Anfang der 90er Jahre) wurde hier bis spät in die 90er Jahre auf den randständigen Weiden/Wiesen immer noch die seltene Uferschnepfe mit 1-2 Paaren nachgewiesen. Auch Krickente und Raubwürger brüten hier, letzterer eher sporadisch.
Großes Moor bei Wistedt (3); (siehe auch unten) Neben dem Kranich wurden bisher als Brutvögel nachgewiesen: Wespenbussard, Habicht, Krickente, Bekassine, Waldwasserläufer; bei der Nahrungssuche (Brutzeit) auch Kornweihe, Wiesenweihe, Rotmilan, Sumpfohreule, Raubwürger, Ziegenmelker u.a.
Großes Everstorfer Moor (4); (siehe auch unten) Neben dem Kranich Nachweis folgender Brutvögel: Großer Brachvogel, Bekassine, Krickente, Sumpfohreule, Wespenbussard, Raubwürger, Neuntöter, Braunkehlchen u.a.
Blick vom Beobachtungsturm im Tister Bauernmoor auf einen Teil der Vernässungsflächen
3. Das Große Moor bei Wistedt Ein prächtiges Stück Natur
FFH-Gebiet 37 Teilgebiet von V 22
Als die letzten Torfstecher im Nachkriegsdeutschland den Spaten aus der Hand legten, war das Wistedter Moor öd und leer. Alles andere als prächtig also, das kam sehr viel später. Über das Moor zu gehen war ganz und gar nicht mehr gefährlich, gab es doch kaum noch Wasser dort. Das ehemalige Hochmoor war sozusagen totgestochen worden. Am Ende bestand das kleinparzellierte Torfmoor – viele Höfe von Wistedt, Tostedt und Dohren besaßen eine kleine eigene Abbaufläche – nur noch aus abgetorften Löchern und den langen Sockeln zum Abtransport des preiswerten Brennmaterials.
So erging es (fast) allen Mooren unserer Region, auch dem Ekelmoor, der Schneckenstiege und dem Tister Bauernmoor: Der Torfstich bzw. Torfabbau wurde aufgegeben, die Entwässerungsgräben aber blieben bestehen, der verbliebene Torfkörper „blutete" aus. Lebendes Moor braucht aber (viel) Wasser. 1975 wurde dieser Hochmoorrest als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Aufgrund der dann Anfang der 80er Jahre eingeleiteten Verbesserungs-Maßnahmen durch den AKN - durch Entfernen des Birken-Kiefern-Gehölzaufwuchses (Entkusselung) und durch schrittweise Abdichtung der entwässernden Gräben – hat sich, von den kleinen Hochmoorresten in den Handtorfstichen ausgehend, ein kräftiger Regenerationsprozess mit wachsenden Torfmoosen in Gang gesetzt, der jeden Beobachter begeistert.
Bedeutung des Großen Moores für NATURA 2000 Im Zusammenhang mit seiner hohen Regenerationsfähigkeit stellt das Moor einen hochkomplexen Lebensraum für seltene Hochmoor-Lebensraumtypen, für daran angepasste Tier- und Pflanzenarten dar; in seinen Moorwald-Randbereichen ist es auch ein Refugium vor allem für andere gefährdete Tierarten, insbesondere Vogelarten.
Lebensraumtypen, gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie
¯ Lebende Hochmoorkomplexe in stark wachsender Ausprägung ¯ Moorwälder, wie Torfmoos-Birkenbruchwald mit größeren Gagel-strauch-Beständen ØFeuchtheiden mit Glockenheide und Torfmoosen ØRenaturierungsfähiges Hochmoor mit ausgedehnten Torfmoor-Schlenken
Als EU-Vogelschutzgebiet (siehe unter V 22, Moore bei Sittensen; S. 16/17) weist das Große Moor zahlreiche wertbestimmende Vogelarten als Brutvögel auf:
Viele Jahrzehnte war das Große Everstorfer Moor bei Heidenau kein Moor im Sinne des Wortes mehr. Es war durch den jahrzehntelangen Torfabbau zu einem großflächigen Torfsockel verkommen. Sicherlich – man brauchte den Torf – man musste doch das Herdfeuer schüren. Holz war knapp und durchaus teuer und das nahe Moor bot reichlich Torf. Jede Hofstelle von Heidenau besaß hier eine Abbauparzelle und so war das ehemalige Hochmoor zum Schluss des Torfabbaus nach dem zweiten Weltkrieg „degeneriert" wie man es fachlich nennt. Noch in den 60er Jahren wurden durch den Bau sogenannter Vorfluter quer durch den Moorkörper zur Entwässerung der umliegenden landwirtschaftlichen Flächen die letzten Hochmoorschlenken als Regenerationszellen zerstört. Seit Unterschutzstellung des Restmoores im Jahre 1989 sind der behördliche Naturschutz zusammen mit dem AKN intensiv bemüht, diese Auszehrung wieder rückgängig zu machen – ein langer, mühsamer Prozess! Einige wesentliche Maßnahmen konnten schon durchgeführt werden, andere, vor allem die Schließung eines tiefen Entwässerungsgrabens, scheiterten bisher an Einsprüchen des Kalber Bach-Verbandes. Doch ist wohl noch in 2005 mit einer Lösung zu rechnen.
Dennoch hat sich dieser Hochmoorrest in den vergangenen 40-50 Jahren inmitten intensiver Landwirtschaft zu einem wertvollen Refugium für zahlreiche Pflanzen- und vor allem Tierarten entwickelt. Große, fast savannenartige Pfeifengrasflächen, nasse Weidengebüsche und vielfältige Moorbirkenwälder charakterisieren das Everstorfer Moor, daneben – nach ersten Vernässungsmaßnahmen durch den AKN – einige relativ große, inzwischen nasse Torfstichzonen, in denen erste Ansätze von Torfmooswachstum zu beobachten sind. Im Westen und Norden des Moorkörpers gehören noch weite Grünlandflächen zum Naturschutzgebiet.
Das Moor steht in den Startlöchern, um wieder ein G r o ß e s Everstorfer Moor zu werden.
Bedeutung als Teilgebiet des EU-Vogelschutzgebietes V 22 Moore bei Sittensen. Neben den wertgebenden Vogelarten der Vogelschutzrichtlinie, dem Kranich, der Sumpfohreule, dem Wespenbussard und Neuntöter gehören noch Raubwürger, Bekassine, Brachvogel und Braunkehlchen zu den Zielarten des landesweiten Naturschutzes. Die weiten Grünlandbereiche im Norden, Westen und Süden sind Brut- und Lebensraum für den bei uns sehr gefährdeten Brachvogel und Jagdraum für Rohr-, Korn- und Wiesenweihe, sowie für den Rotmilan.
Der Großraum zwischen dem Ekelmoor/Tister Bauernmoor, dem Großen EverstorferMoor und dem Großen Moorbei Wistedt hat mit seinen weiten Wiesenlandschaften um diese Moore herum eine hohe Attraktivität für die Vogelwelt. Mit der Wümme im Süden, mit der Oste und der Heidenauer Aue, dem Kalber Bach als prägenden Fließgewässern mittendrin bietet er für viele Greifvogelarten, für Kranich, Schwarzstorch u.v.a. (immer noch) die Lebensraumqualitäten, die diese anspruchsvollen Vogelarten unverzichtbar für Brut, Jagd, Rast und Ruhe brauchen.
Klein aber oho! Aber ja – weist doch dieses kleine Moor, verborgen hinter Gehölzen abseits der Bundesstraße 75 südwestlich von Wistedt, trotz seiner „Kleinheit" bemerkenswerte moortypische Besonderheiten auf. Es ist kein „Hochmoor", kein hohes Moor oberhalb des Grundwasserspiegels. Es wird daher nicht ausschließlich vom Regen gespeist, sondern vom Strom des Grundwassers aus dem Höhenrücken nördlich von Wistedt am Rande der Osteniederung. Und das hat Folgen für dieses sogenannte „Hangquellmoor": Das Wasser ist weniger nähstoffarm und deshalb die Pflanzenwelt anders zusammengesetzt als z.B. im Großen Moor bei Wistedt. Seit 1984 ist dieses kleine Moor auf Antrag des AKN Naturschutzgebiet.
Bedeutung von Kauers Wittmoor für NATURA 2000 Trotz seiner geringen Größe birgt es sehr verschiedene Lebensraumtypen in z.T. hervorragender Qualität und Stabilität. Das Moor erhöht daher die Repräsentanz dieser Lebensraumtypen im Naturraum Zevener Geest. Das ist von besonderer Bedeutung, da diese Lebensraumtypen mit ihren Lebensgemeinschaften ohnehin heute überall nur noch sehr kleinräumig vorhanden sind.
Lebensraumtypen, gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie
¯ Moorwaldkomplexe, z.T. mit Torfmoosen ¯ lebende Hochmoorareale mit Bulten und Schlenken und wertbestimmenden Torfmoosgesellschaften Ø Feuchtheiden-Areale, Ø nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche Stillgewässer, Ø feuchte Weiden- und Gagelgebüsche Ø kleinräumige Sandheidenareale.
Herausragende Zielarten des Naturschutzes #
Ø Torfmoos-Knabenkraut, Moorlilie (in großen z.T. geschlossenen Beständen!), Sonnentau Ø Lungenenzian und der von dieser Pflanze und gleichzeitig von einer dort lebenden Ameise abhängige Lungenenzian-Bläuling Ø Kreuzotter
Sicherung und Entwicklung der Moore in unserer Heimat
Die Moore sind schon etwas Besonderes in unserer Heimatregion. Sie nehmen bekanntermaßen einen großen Raum diesseits und jenseits der Landkreisgrenze ein. Aber nicht allein die Moorausdehnung, sondern vielmehr – wie bereits beschrieben – das überaus reiche Inventar seltener und bedrohter Pflanzen- und Tierarten bilden diesen großartigen Naturschatz. Das war bis vor 35 Jahren keineswegs so – aber das ließ sich ändern. Grund genug für die Naturschützer der ersten Stunde in der Samtgemeinde Tostedt konkrete Maßnahmen zur Sicherung und Entwicklung unserer Moore einzuleiten. Aufgrund ihrer Erkenntnis, dass diesen sogenannten „Rest-Mooren" ein großes natürliches Potential innewohnte, wurden zwischen 1975 und 1989 Anträge auf Unterschutzstellung aller auf Samtgemeindegebiet liegenden Moore ausgearbeitet und bei den zuständigen Naturschutzbehörden eingereicht. Das gilt neben Kauers Wittmoor für das Heidemoor bei Ottermoor, die Otterheide, das NSG Obere Wümme, ebenso wie für das Große Moor bei Wistedt und das Große Everstorfer Moor. Auch das kleine kostbare NSG Rauhes Moor bei Hollinde (Samtgemeinde Hollenstedt) geht auf eine Antragstellung dieser Keimzelle des AKN zurück.
Zu all diesen Anträgen auf Unterschutzstellung gehörten von Anfang an konkrete Hinweise auf Maßnahmen, diese ausnahmslos gestörten, d.h. meist stark durch menschliche Einflussmaßnahmen beeinträchtigten (Rest-)Moore wiederzubeleben. Seit 1981 sind heutige AKN-Mitglieder dabei, diese mit den Naturschutzbehör-den abgestimmten Entwicklungsprogramme zur Sicherung und Revitalisierung der moortypischen Flora und Fauna umzusetzen. Viele begeisterte Menschen aus unseren Dörfern sind in den langen Jahren seither dazugekommen und haben sich mit dem AKN dieser Langzeitaufgabe verschrieben: Wiedervernässung der Moorkörper und Beseitigung des Gehölzaufwuchses in den empfindlichen Bereichen der Moore. Im Idealfall sind das Hilfen für die Moore zur Selbsthilfe. Das ist aber nur möglich, wenn genügend Wasser im Moor zurückgehalten werden kann, ohne landwirtschaftliche Nutzflächen zu beeinträchtigen. Moore brauchen daher (nicht nur aus diesem Grund) möglichst großzügige Pufferflächen. An vielen Stellen wird daran gearbeitet. Behördlicher Naturschutz und der AKN ergänzen sich hier vorbildlich. Die Moor-Sicherung ist abgeschlossen, die Moor-Renaturierung ist auf den Weg gebracht.
Nach dem Entkusseln - hier kann Moor wieder wachsen
„Hochdroben", genau auf der Wasserscheide von Elbe und Weser, liegt südöstlich von Todtglüsingen ein in weiten Bereichen durchaus verwunschener Wald von einzigartigem Charakter. Lehm und Geschiebemergel (kalkhaltiger Feinsand) im Untergrund sorgen dafür, dass die Pflanzen lange Zeit im Jahr im Nassen stehen. Aufgrund dieser besonderen Gegebenheiten finden wir sehr abwechslungsreiche anspruchsvolle Laubwaldbestände und eine entsprechend artenreiche und in unserer mehr durch Sand- und Moorböden geprägten Region einmalige Flora von Moosen und Blütenpflanzen, einschließlich der Gräser. Der Wald schickt sein überschüssiges Wasser einerseits über den Otterbach nach Süden zur Wümme, andererseits über mehrere kleine Bäche zwischen Kamperlien, Hoinkenbostel und Todtglüsingen nach Nordosten zur Este. Vom AKN und von den Fachbehörden schon immer als naturschutzwürdig eingestuft, aber nie durch ein Unterschutzstellungsverfahren ernsthaft als Naturschutzgebiet angestrebt, erfährt dieser abwechslungsreiche Waldkomplex nun endlich die ihm gebührende offizielle Würdigung als FFH-Gebiet. Mit der Sicherung dieses Waldgebietes wird der gesamte Esteoberlauf als FFH-Gebiet 38 mit der Fuhlau-Aue bei Welle, erheblich aufgewertet. Gemeinde und Samtgemeinde Tostedt haben hier „ein Pfund, mit dem sie behutsam und verantwortungsvoll wuchern können".
Bedeutung für NATURA 2000 Das Gebiet wurde zur Verbesserung der Repräsentanz für Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder, alte bodensaure Eichenwälder mit Stieleiche, sowie Auwälder mit Erle und Esche im Grenzbereich der Naturräume Hohe Heide und Zevener Geest ausgewählt.
Lebensraumtypen gemäß Anh. I der FFH-Richtlinie
¯Auenwälder mit Erle und Esche: Auf quelligen Standorten Erlen- und Eschenwälder mit Krautschicht aus Sumpf-Pippau, Rasen-Schmiele, Winkel-Segge, Mädesüß, Gold-Hahnenfuß, Brennessel, Gundermann u.a. Ø Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder mit gut entwickelter Strauchschicht aus Hasel, Weißdorn u.a., mit Waldmeister und Buschwindröschen u.v.a. Ø Alte bodensaure Eichenwälder mit Stieleiche
Sonstige Lebensraumtypen von landesweiter Bedeutung #
Tier- und Pflanzenarten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie
Ø Fischotter; die Art wurde in unmittelbarer Umgebung nachgewiesen. Mögliche Ausbreitungstendenzen sind im Zusammenhang mit der Este (FFH-Gebiet 38; siehe dort) zu sehen.
Weitere herausragende Zielarten des Naturschutzes #
ØGrüne Waldhyazinthe, Scheidiger Gelbstern, Schwarze Teufelskralle, Hohe Schlüsselblume, Buchenfarn u.v.a.
Das Gebiet ist kein EU-Vogelschutzgebiet. Dennoch sind im Zusammenhang mit der EU-Vogelschutz-Richtlinie einige extrem wertgebende Vogelarten aus der Richtlinie zu nennen, die hier ihren Lebensraum haben:
7. Este, Bötersheimer Heide Ein verbindendes Element
FFH-Gebiet 36
Vom Naturraum der Hohen Heide windet sie sich hinunter, durch den Naturraum der Zeevener Geest bis in den der Elbmarsch, um schließlich bei Buxtehude in die Elbe selbst zu münden. Ihr ursprüngliches Quellgebiet hat die Este südöstlich von Wintermoor, nahe Ehrhorn, doch führt sie in ihrem Oberlauf nur selten Wasser. Erst ab Cordshagen bei Welle führt die Este dauerhaft Wasser, fließt durch Welle, vorbei an Höckel und Hoinkenbostel, Langeloh und Neddernhof und weiter nach Kakenstorf, um schließlich in Bötersheim an einem Stauwehr als Fluss zunächst zu enden. Ihre verbindende Funktion zwischen den Naturräumen Heide und Elbe wird hier dramatisch unterbrochen. Nach Überwindung der Wehre verlässt sie schließlich beim Seggernhof unsere Samtgemeinde. „Speisende Elemente" unseres Esteflusses sind die Fuhlau bei Welle, der Kamper- und Kamperlienbach, der Osterbruchbach sowie der Todtglüsinger und Sprötzer Bach. Ein „Highlight" als Zufluss ist der Dohrener Mühlenbach mit dem Quellbach Töste. Als letzter in unserer Samtgemeinde erreicht schließlich der Seggernbach die Este.
Mit all diesen Bächen bildet die Este das flächenmäßig größte Fließgewässersystem unserer Samtgemeinde und ist nicht zuletzt deshalb ein wichtiges „verbindendes Element" und auch wichtiger Trittstein für wandernde Tierarten, wie z.B. den Fischotter, zwischen den Flusssystemen der Wümme und Seeve. An seinen Ufern begleitet wird dieses Fluss- und Bachsystem von vielgestaltigen und bedrohten Lebensraumtypen der Auen und ihrer benachbarten Talhänge.
Bedeutung des Gebietes für NATURA 2000 Maßgeblich für die Gebietsauswahl für „NATURA 2000" ist das Vorkommen des Vorblattlosen Leinblattes in der Bötersheimer Heide. Diese Pflanze kommt im westlichen Deutschland nur noch an diesem Ort vor. Das Vorkommen zahlreicher Lebensräume gemäß Anhang I, FFH-Richtlinie im gesamten Esteraum ergab die heutige Gebietsabgrenzung.
Lebensräume gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie
¯ Artenreiche Borstgrasrasen mit Sparriger Binse und Waldläusekraut auf Dünenböschung bei Bötersheim ¯ Auenwälder aus Erle, Esche und Weide ¯ Moorwälder, z.B. bei Hoinkenbostel ¯ Kleinräumige lebende Hochmoore Ø Niederungsfluss mit flutender Wasservegetation Ø Natürliche nährstoffreiche Seen (Teiche) mit Laichkraut- oder Froschbissvegetation Ø Feuchte Hochstaudenfluren; magere Flachland-Mähwiesen Ø Übergangs- und Schwingrasen-moore; Feuchtheiden mit Glockenheide Ø Trockene Sandheide mit Besenheide und Zwergginsterarten auf Dünen Ø Bodensaure Eichenwälder; Feuchter Stieleichen-Hainbuchenwald
Tier- und Pflanzenarten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie
Mehrere Vogelarten, die dem EU-Recht und dem nationalen Artenschutz unterstellt sind, haben an der Este und in ihren Auwäldern ihren Lebensraum: u.a. Eisvogel, Schwarzstorch, Wespenbussard und in letzter Zeit auch der Kranich.
Munter fließt sie dahin, die Kühle aus dem Naturschutzgebiet Lüneburger Heide – von der Quelle bei Wehlen bis hin zur Elbe bei Rosenweide. Die „munter Dahinfließende", so der vermutlich aus dem Keltischen stammende Namensursprung. Ein sommerkalter Geestbach – so die naturschutzfachliche Bezeichnung. Schnell fließend aufgrund der Geländegestalt und weitgehend unter dem Kronendach von Bäumen hat sie keine Möglichkeit, sich stark zu erwärmen – zumindest bis zum Unterlauf in der Gemeinde Seevetal. Dies wiederum begünstigt ganz spezielle Tier- und Pflanzengemeinschaften. Sowohl Hollenbeck und Schapswäsch-bach bei Handeloh, als auch der Weseler Moorbach bei Inzmühlen tragen wasserreich dazu bei. Kurz vor dem Verlassen der Samtgemeinde verstärkt der Büsenbach aus dem Landschafts-schutzgebiet Büsenbachtal - wenn auch zurückhaltend - die Seeve mit kühlem Wasserzufluss.
Bedeutung der Seeve für NATURA 2000 Das Gebiet dieses kleinen Flusses mit gut ausgeprägter Wasservegetation wurde vorrangig aufgrund der Bedeutung der Seeve als Laichgewässer des Meerneunauges und als Aufenthalts- und vermutlich Laichgewässer des Flussneunauges ausgewählt. Die Seeve trägt zur Verbesserung der Repräsentanz der beiden Arten im nördlichen Teil der Lüneburger Heide bei. Auch das Bachneunauge und die Groppe leben hier. Weiterhin wertgebend für die Abgrenzung dieses FFH-Gebietes an den Auerändern ist die große Zahl schützenswerter Lebensraumtypen (siehe auch unter Este, FFH-Gebiet 36).
Lebensraumtypen gemäß Anh. I der FFH-Richtlinie
¯ Moorwälder: An den Talrändern des Oberlaufes mehrfach gut ausgeprägte Birken-Bruchwälder, u.a. mit Pfeifengras, Torfmoosen. ¯Auenwälder mit Erle und Esche: Entlang der Seeve und ihrer Nebenbäche finden sich teilweise schmale Erlensäume, zahlreiche, z.T. sehr gut ausgeprägte Erlen-Quellwälder mit Übergängen zwischen Au- und Bruchwäldern. Ø Fließgewässer mit flutender Vegetation, wie sie z.B. auch im Hollenbeck in der Gemeinde Handeloh vorkommt. Ø Niedermoorsümpfe, feuchtes Grünland, Feuchtgebüsche und Erlenbruchwälder. Ø Feuchte Hochstaudenfluren, Buchenwälder mit Waldmeister, Eichen-Hainbuchenwälder mit Sternmiere, alte bodensaure Eichenwälder.
Tier- und Pflanzenarten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie
Ø Meerneunauge und Flussneunauge, die Groppe und das Bachneunauge
Herausragende Zielarten des Naturschutzes #
Ø Eisvogel, Zweigestreifte Quelljungfer, eine sehr seltene Großlibelle schmaler Quellbäche, u.a. Ø Breitblättriges Knabenkraut , Quirlblättrige Weißwurz, Sumpf-Dreizack u.v.a.
9. Lüneburger Heide „......in dem wunderschönen Land"
FFH-Gebiet 70 EU-Vogelschutzgebiet 24
Wer kennt sie nicht – die Lüneburger Heide?! Viele haben sie erwandert, manche mit dem Fahrrad erobert oder auch mit der Kutsche erfahren. Eine Menge zu ihrer Bekanntheit beigetragen hat sicherlich auch Hermann Löns mit seinen zahlreichen Geschichten und Gedichten über diese einzigartige Landschaft. Grün ist die Heide – selbst der deutsche Heimat-Film hatte in den Nachkriegsjahren diese Region entdeckt. Aber die Lüneburger Heide ist mehr als Poesie und Filmidylle – mehr als ein lilafarbener Teppich. Sie ist Kultur- und Naturlandschaft zugleich. Heide, Heidschnucken, reetgedeckte Schafställe, Wacholder, knorrige alte Eichen, geduckte Fachwerkhäuser, Findlingsmauern, tiefgründige Sandwege.... – so wird sie gemeinhin wahrgenommen. Dabei beherbergt sie überdies eine Vielzahl natürlicher und halbnatürlicher Lebensräume, die sich für den einen oder anderen Betrachter erst auf den zweiten Blick erschließen. Nur ein kleiner Teil dieser alten Kulturlandschaft liegt – südöstlich von Inzmühlen und Handeloh – auf dem Gebiet der Samtgemeinde Tostedt. Er ist jedoch durch den Quellbereich des Hollenbeck und den Oberlauf der Seeve, sowie durch die dazwischen liegenden (Wacholder-)Heiden vielgestaltig gegliedert.
Bedeutung der Lüneburger Heide für NATURA 2000 Mit ihren größten zusammenhängenden Heiden der nordwesteuropäischen Geest ist sie Beispiel der vorindustriellen Heidebauernwirtschaft. Überdies hat sie hervorragende Bedeutung für den Biotop- und Artenschutz. Die gründet sich auf die Vielfalt und den Strukturreichtum der miteinander vernetzten und verzahnten Lebensräume überwiegend nährstoffarmer Standorte wie den Mooren, den Talräumen der Heidebäche, den weitgehend offenen Heidegebieten mit trockenen Sandheiden, Wacholderheiden, Feuchtheiden, sowie den historisch alten Laubwäldern. Wertbestimmend ist zudem das Vorkommen besonders seltener und daher stark gefährdeter Amphibien-, Reptilien- und Vogelarten.
Lebensräume gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie
¯ Lebende Hochmoore ¯ Moorwäder ¯ Auenwälder, z.B. bei Inzmühlen an der Seeve Ø Trockene Sandheide mit Besenheide und Zwergginster-Arten; Wacholderheiden Ø Dünen mit offenen Grasflächen Ø Nährstoffarme Seen und Teiche, wie z.B. die Holmer Teiche Ø Bäche mit flutender Wasservegetation Ø Feuchte Heiden mit Glockenheide, z.B. in den Quellgebieten des Hollenbecks bei Handeloh und der Seeve bei Wehlen Ø Feuchte Hochstaudenfluren, z.B. an der Seeve Ø Übergangs- und Schwingrasenmoore, z.B. das Seevequellmoor Ø Hainsimsen-Buchenwald, z.B. das Meninger Holz Ø Alte bodensaure Eichenwälder
Tier- und Pflanzenarten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie
Ø Kammolch, Bachneunauge u.a.
Wertbestimmende Vogelarten der EU-Vogelschutzrichtlinie
Ø Birkhuhn (größtes Restvorkommen in Niedersachsen), Kranich, Rauhfußkauz, Sperlingskauz, Eisvogel, Schwarzspecht, Schwarzstorch, Ziegenmelker (bedeutendstes Verbreitungs-Zentrum in Niedersachsen), Heidelerche und Neuntöter.
Raubwürger, Schwarzkehlchen, Steinschmätzer, Wendehals (größter Bestand in Niedersachsen) u.a. gehören zu den Zielarten des landesweiten Naturschutzes, ebenso u.a. eine große Zahl gefährdeter Amphibien-, Reptilien-, Heuschrecken-, Schmetterlings- und Pflanzenarten.
„Jeder hat sich so zu verhalten, dass Natur und Landschaft nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden. Natur und Landschaft dürfen nicht verunreinigt oder verunstaltet werden. Der Naturgenuss anderer in der freien Natur und Landschaft darf nicht unnötig beeinträchtigt werden".
Ein – sicherlich – formaler Satz aus dem Naturschutzgesetz, aber ohne Einschränkung die Aufforderung an jedermann - an uns, den AKN, an die Gemeinden und die Samtgemeinde - sich die Sache der Natur zu eigen zu machen und allen landschaftsbezogenen Planungen und Tätigkeiten voranzustellen. Insbesondere die Gemeinden – aber auch die Samtgemeinde – sind aufgefordert, ganz konkret den gesetzlichen Auftrag des Naturschutzes umzusetzen. Zwar liegt die Zuständigkeit zur Durchführung von NATURA 2000 bis 2007 beim Land Niedersachsen und danach bei den Landkreisen, aber auch die Gemeinden sind in der Pflicht, unser Naturerbe zu sichern und zu entwickeln ! Jeder an seinem Platz, nach seinen Möglichkeiten! Und möglich ist es insbesondere den Gemeinden, den großen Wurf NATURA 2000 in ihre Bauleitplanung konstruktiv und kreativ einzubinden. Jawohl – in die Bauleitplanung, in die Bebauungspläne und – vorweg – in den Flächennutzungsplan! Nur allzu häufig hört man auch von unseren Mandatsträgern: Der Naturschutz behindert die gemeindliche Planungshoheit! Welch ein fundamentaler Irrtum!! Die Erhaltung und Entwicklung unserer Natur und Landschaft ist ein grundlegender Bestandteil jeder Planungsebene, auch der Gemeinden! Die Devise muss sein: nicht immer nur „druff auf die Natur", sondern ihre Vielfalt variabel und intelligent einbinden und nicht nachlassen in den Bemühungen um das Ziel:
Erhaltung unseres Europäischen Naturerbes!
Lasst uns also gemeinsam daran wirken, dass NATURA 2000 bei uns in der Samtgemeinde Tostedt zu einer Erfolgsgeschichte wird.
Quellen: Amt für amtliche Veröffentlichungen der EU, NATURA 2000 Amt für Veröffentlichungen der EU, Richtlinie 92/43 EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere + Pflanzen (FFH-Richtlinie), 1992 Kranichschutz Deutschland, Der Kranich-Symbolvogel für den Naturschutz, 2001 Landkreis Harburg, Umweltbericht-Naturschutz, 2005 Mayr, Claus, 25 Jahre EU-Vogelschutzrichtlinie in Deutschland, Natur + Landschaft, 8/04 MU, Fragen + Antworten zur NATURA 2000, 1999 MU, Die Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie in Nds., 2000 MU, Umsetzung der FFH-Richtlinie in Nds., 2004 NLÖ, Zur Verbreitung + Situation der Fließgewässerlibellen in Nds., 1989 NLÖ , Beiträge zur Situation des Fischotters in Nds, 1996
MU: Ministerium für Umwelt/Niedersachsen
Bildnachweis: Reinhard Kempe, Höckel Rolf Müller, Winsen Uwe Quante, Dohren Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen Rothmaler: Exkursionsflora Heinroth: Die mitteleuropäische Vogelwelt Kelle/Sturm: Tiere leicht bestimmt Schiemenz: Die Libellen unserer Heimat Kranichschutz Deutschland: Der Kranich-Symbolvogel für den Naturschutz Wheeler: Süßwasserfische www.natura2000.murl.nrw.de www.nabu-bw.de