Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände (§29) im Lkr. Harburg

Sehr geehrter Herr Bordt,
Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten mit unserem heutigem Schreiben uns zunächst noch einmal bedanken für die von Ihnen veranlasste Bustour am 16.09. durch Teile des westlichen Landkreises und Ihr großes Verständnis während der Tour für die vorgetragenen Sorgen und Probleme der vor Ort arbeitenden Naturschutzverbände.
Ganz besonders möchten wir uns ausdrücklich auch bedanken bei den Mitarbeitern Ihrer Verwaltung, die den „dienstfreien" Samstag geopfert haben, sich mit uns vor Ort zu informieren und auch das persönliche Gespräch mit uns zu suchen – z.B. beim Imbiss in Wennerstorf.
Nachfolgend erlauben wir uns Ihnen noch einmal unsere Positionen zu den aufgesuchten „Busstationen" vorzutragen. Die in den verschiedenen Beiträgen zum Ausdruck kommenden teilweise deutlichen Aussagen, bitten wir uns nachzusehen, verdeutlichen diese doch unsere große Sorge um den Natur- und Artenschutz (Biodiversität), den Verlust großflächigen Landschaftsschutzes und die Erholungseignung im allgemeinen in unserem Landkreis.

1. Erster Bereisungspunkt war das Neubaugebiet Heidweg/Rosenstraße in Tostedt-Todtglüsingen (B-Plan 34). Herr Quante trug vor:

> Der B-Plan wird vom BUND als Paradebeispiel für missglückte Planungen und unzureichende Abwägungen empfunden.
> Der Arbeitskreis Naturschutz und später auch der Landkreis Harburg hatten die Gemeinde Tostedt frühzeitig auf die Wertigkeit des beplanten Gebietes hingewiesen.
> Trotz der Kenntnis der schützenswerten Bachaue mit drei §28a-Flächen wurden die Planungen fortgeführt und umgesetzt.
> Die festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen waren unwirksam, was im Vorfeld der Planung bereits erkennbar und vom AKN der Gemeinde mitgeteilt worden war.
> Durch die Bebauung wurde die Bachaue mit ihren Sumpfbereichen, dem Nassgrünland und Hochstaudenfluren , incl. der §28a-Flächen, zerstört. Der Bach wurde trotz Renaturierungsmaßnahmen in seiner Qualität nachhaltig negativ beeinflusst, insbesondere durch die Senkung des Wasserhorizontes.

Es bleibt festzuhalten, dass die Planungshoheit bei der Gemeinde Tostedt lag und der Landkreis nur Hinweise geben und Bedenken äußern kann.
Allerdings ergeben sich aus unserer Sicht folgende Versäumnisse beim Landkreis:

> Die Zerstörung der §28a-Flächen wurde vom LKr. nicht nachdrücklich verfolgt und geahndet.
> Der Landkreis hat die Eingriffe in den Wasserhaushalt geduldet: während der Bauphase und auch danach wurde und wird auf den Grundstücken Wasser abgepumpt, da nur so der Bau der Fundamente und Keller möglich war bzw. ist. Die Absenkung des Wasserhorizontes war aber nicht genehmigt worden und ist Hauptursache für die Zerstörung der schützenswerten Biotope!
Fazit: Es kann nicht sein, dass der Landkreis die Schaffung von Tatsachen gegen geltendes Recht duldet.
Wir fordern daher
:

> Der LKr. muss sich nachdrücklich und konsequent für die Erhaltung der bekannten §-28a-Flächen einsetzen und darf ihre Zerstörung im Rahmen der Bauplanung nicht dulden.
> Der LKr. muss frühzeitig und konsequent die Einhaltung der wasserrechtlichen Belange verfolgen und darf ungenehmigte Eingriffe nicht dulden.
> Der Landkreis muss die Gemeinden bei nicht fachgerechter Abwägung auf die Konsequenzen und mögliche Forderungen auf Rückbau hinweisen.

2. Das NSG „Großes Moor bei Wistedt" war die zweite Station. Herr Quante lobte hier die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Landkreis und den Verbänden, insbesondere zwischen der Naturschutzbehörde und dem AKN. Diese Zusammenarbeit zeigt Erfolg in den wunderbaren Auswirkungen der Renaturierungsmaßnahmen: das Moor erholt sich sichtbar und bietet verbesserten, vielfältigen Lebensraum für viele bedrohte Tiere und Pflanzen.
Fazit:
Wir erhoffen uns die Fortsetzung der überaus positiven Zusammenarbeit zwischen LKr. und Verbänden.

3. Die Heidenauer Aue wurde als dritte Station angefahren. An der Brücke, zwischen Heidenau und Vaerloh erfolgte eine Besichtigung des Bachabschnittes und Herr Holst (AKN-Mitglied und zugleich ortsansässiger Hydrobiologe) erläuterte den Anwesenden die ökologische Problematik und den Sachverhalt bezüglich des Renaturierungsvorhabens an der Heidenauer Aue.

> Die Heidenauer Aue ist, als Teil des Einzugsgebietes der oberen Oste, ein typisches Fließgewässer der Geest und teilt das ökologische Schicksal der meisten norddeutschen Flachlandbäche:
> Im Zuge des Ausbaues vor über 90 Jahren wurde der Bachlauf um ca. 19% verkürzt, das Gewässerbett aufgeweitet und vertieft und der typische Uferbewuchs (Erlen und Weiden) entfernt.
> Als Gewässer 2.Ordnung unterliegt die Aue seit ca.1960 einer regelmäßigen maschinellen Gewässerunterhaltung (Entkrautung, Ufermahd und Grundräumung) seitens des Unterhaltungsverbandes Obere Oste.
All diese Maßnahmen führten zu einem dramatischen Verlust der strukturellen Güte und somit auch der Artenvielfalt:
> Das mäandrierende System mit unterschiedlichsten Strömungsverhältnissen wich einem monotonen, langsam fließenden Entwässerungsgraben, dessen ehemals kiesgeprägtes, heterogenes Gewässerbett nun mit einer mächtigen Sandschicht bedeckt ist- Folge einer starken Ufererosion.
> Mangelnde Beschattung führte zu einer starken Beeinträchtigung des Sauerstoff/Temperatur-Gefüges.
> Das Einzugssystem der Aue wird zu einem hohen Anteil landwirtschaftlich genutzt. Fehlende Gewässerrandstreifen bewirken einen hohen Nährstoff,- Biozid- und Sedimenteintrag in das Gewässer. Dies führt zu einer drastischen Reduktion der Artenvielfalt, insbesondere bei der Makroinvertebraten (Wirbellose)-, und Fischfauna.

Aber:
Wie in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gefordert, muss auch für die Heidenauer Aue bis 2015 der „gute ökologische Zustand" erreicht sein.

Ein Unterhaltungsrahmenplan für die Heidenauer Aue, basierend auf Basisuntersuchungen, wurde bereits 1996 aufgestellt und „soll im Spannungsfeld zwischen Vorflutsicherung und Naturschutz Handlungssicherheit" geben (Tschöpe, 1996). Darüber hinaus wurde im Jahr 2004 eine Diplomarbeit von der Universität Hamburg über die Aue angefertigt (Grabowsky, 2004) in der u.a. eine detaillierte Strukturgüte-kartierung erfolgte und Maßnahmenkonzepte und Umsetzungsmöglichkeiten im Sinne der WRRL aufgelistet wurden. Dieses vorhandene Datenmaterial, die Kooperationsbereitschaft der Gemeinde Heidenau sowie die Existenz eines bereits renaturierten kurzen Bachabschnittes (Flächen der Edmund Siemers Stiftung, betreut vom AKN) bewogen den Landkreis Harburg, hier ein Renaturierungsvorhaben als Pilotprojekt mit starker Signalwirkung umzusetzen. Um eine möglichst hohe Akzeptanz seitens der Bevölkerung und der Anlieger zu erreichen, wurde ein Informationsabend veranstaltet, an dem u.a. Anlieger, Landkreis, Uni-Hamburg und der Unterhaltungsverband (UV) teilnahmen. Nach der erneuten Vorstellung der Diplomarbeitsergebnisse kam es jedoch rasch zu einem Stimmungsumschwung und zu massiver Ablehnung seitens der Anlieger, initiiert durch den UV. Statt die Bedenken der anliegenden Bauern zu entkräften, wurden Ängste geschürt und die Fronten verhärtet.
Wir fordern den Landkreis auf,

> erneut mit den einzelnen Anliegern Kontakt aufzunehmen, ggf. Informationsmaterial bereitzustellen, um die Diskussion wieder in eine sachliche Ebene zu bringen und danach konkrete Handlungsschritte zu planen.
> Darüber hinaus müssen mit dem Unterhaltungsverband Obere Oste dahingehend Gespräche geführt werden, dass die hier angedachten Maßnahmen gesetzlich abgesichert, ja sogar vorgeschrieben sind und eine kontraproduktive Haltung seitens des UV nicht toleriert werden kann.
> Der Arbeitskreis Naturschutz der SG Tostedt, der durch zahlreiche Betreuungsmaßnahmen die Schaffung und den Erhalt ökologisch wertvoller Flächen ermöglichte, könnte hierbei auch eine Schlüsselstellung einnehmen, z.B. bei der manuellen Gewässerunterhaltung.

4. Gewerbegebiet bei Wennerstorf: Die gemeinsame Besichtigung der ökologischen Ausgleichsflächen als Ersatz für Eingriffe durch die gewerbliche Ansiedlung eines Verteilzentrums zeigt überdeutlich auf, wie ein wertvolles „Rote-Liste-Biotop" (wertbestimmende Art: Springfrosch) durch nicht spezifisch auf diese Art eingehende Darlegungen eines Fachgutachtens gefährdet und durch Realisierung des Vorhabens letztlich vernichtet wird.
Es zeigte sich während der gemeinsamen Begehung, dass der Eingriff für die wertbestimmende Art trotz erheblicher finanzieller Aufwendungen (1Mio Euro) für aufwendigste Ausgleich- und Ersatzmassnahmen und bautechnischer Bemühungen des Investors nicht ausgleichbar gewesen ist. Und es bleibt die Kritik in der Ausführung der Ausgleichsmassnahmen bestehen:

> Tunnelabstände sind teilweise zu dicht und zu tief (Leiteinrichtungen zu lang),
> Krötenzäune (Plastik) werden nicht bedient, Pflege nicht sichergestellt,
> Ständiger Drainwasserabfluss, auch bei Trockenheit,
> Lange Entwässerungsleitung (ca. 4 km), statt örtlicher Versickerung (Grundwasserneubildung),
> Offene Flächen im Estebereich aufgewaldet.

Nach Kenntnis der Verbände hatte auch die Leitung der Landkreisverwaltung unter Hinweis auf das RROP und die große Erholungseignung des dort ursprünglich vorhandenen Waldes, einen alternativen Standort auf der anderen Straßenseite bevorzugt.
Nach Auffassung der Verbände wird auch hier die große Verantwortung der Naturschutzbehörde des Landkreises sehr deutlich. Die UNB muss gegenüber den Gemeinden in den Stand versetzt werden, im Rahmen einer UVP steuernd einzugreifen, ggf. auch einen geplanten Eingriff in eigener Verantwortung zugunsten des Naturschutzes abwehren zu können. Das bestehende §28a Biotop mit seinen Einzugsbereichen hätte nicht frei gegeben werden dürfen.

5. Aarbach: Die Gewässerbelastung des Aarbaches wird durch die Schweinehaltung bei erneuter Nutzung des bachnahen Grundstückes erhöht. Es wird vorgeschlagen einen größeren Abstand > 10m vom Gewässerrand auf dem Verhandlungswege durchzusetzen, ggf. auch einen Abfanggraben herzustellen mit eigener Vorflut. Die Verbesserung des Gewässers im Bereich der BAB und des dort befindlichen RRB wurde in guter Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Landkreises gesichert: „Neues RRB im Nebenschluss an den Bach".

6. Daerstorf: Die Bodenabbaustelle bei Daerstorf soll nach Vorstellungen der Naturschutzbehörde, wie Herr Böttcher erklärte, nicht weiter der völligen Sukzession überlassen bleiben und vor allem nach neuen Überlegungen durch „Offenbereiche" zu einem wichtigen Trittsteinbiotop werden in einem ansonsten weitgehend ausgeräumten Landschaftsraum. Eine mögliche Zusammenarbeit mit dem BUND und der Naturschutzbehörde wird allgemein begrüßt. Die von der Nachbargemeinde geplante Einrichtung eines Hundekampfplatzes wird von allen Beteiligten abgelehnt.

7. Apfelgarten: Die Naturschutzverbände sehen die Aufstellung des B-Planes durch die Gemeinde Neu Wulmstorf sehr kritisch. Bemängelt wird vor allem das dazu aufgestellte Gutachten und die dazu vorgenommene Art und Weise der Kartierungen durch nicht nachvollziehbare Methoden. Erst durch sehr deutliche Vorstellung der beteiligten Naturschutzverbände wurden Nachbesserungen erreicht.
Aus den hier gemachten Erfahrungen der Verbände wird verstärkt abgeleitet, dass zukünftig
Mindestansprüche für Fachgutachten zu fordern sind.
Dazu ergibt sich zukünftig die Forderung an den Ldr., der Naturschutzbehörde mehr Gewicht und mehr Mitwirkungsrechte sowie mehr Entscheidungskompetenzen in eigener Verantwortung an die Hand zu geben, bei

> der Auswahl der Gutachter und
> der Qualität der Aussagen der bestellten Gutachter - Mindestanforderungen für Fachgutachten -.
Ggf. müsste die Naturschutzbehörde ein Vetorecht gegenüber der planenden Gemeinde haben, falls naturzerstörerische Vorhaben seitens der Gemeinden rücksichtslos – siehe oben – weiterhin durchgesetzt werden sollten.

Wir möchten zu den oben genannten Problembereichen und auch zu weiteren Punkten, die uns beschäftigen, mit Ihnen im Gespräch bleiben.




bereisung4_small

Die Aue:begradigt, ohne
Randstreifen, . . .

bereisung5.jpg (164315 Byte). . . eingetieft und fast ohne Ufergehölze






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