Die kleine "Beerenfamilie" War das nun die Leckere, aus der man die Marmelade machen kann ?
Bäume, Sträucher und Kräuter, die eßbare Früchte tragen, sind für uns immer von besonderem Interesse. Den Menschen, der an ihnen vorüber geht und sie erblickt, erfaßt sofort sein ur-natürlicher Trieb zur Nahrungsaufnahme: "Kann man die essen ?" ist seine erste Frage. Leicht trifft man auf schöne saftige Früchte, die ärgerlicherweise ein starkes Gift enthalten, oder man sieht eine leuchtend rote Beere am Wegesrand und zweifelt: "War das nun die Leckere, aus der man die Marmelade machen kann, oder war es doch die besonders Gefährliche, die nur so aussieht wie die Eßbare?". Häufig, nicht immer, lassen sich diese Probleme schon lösen indem man klärt, zu welcher Pflanzenfamilie das betreffende Gewächs gehört. Denn Pflanzen einer Familie ähneln sich grundsätzlich in vielen Merkmalen, unter anderem auch in ihren Inhaltstoffen. Ganz typisch ist da die Familie der "Nachtschattengewächse", zu der ebenso die Kartoffelpflanze wie auch die Tollkirsche und der Bittersüße Nachtschatten gehören; gemeinsam ist ihnen, daß alle oberirdischen Früchte mit Vorsicht, besser gar nicht, zu genießen sind. Anders dagegen verhält es sich mit der für unsere Gegend so typischen wie auch vielfältigen Familie der "Ericaceae", also der Heidekrautgewächse. Die Früchte dieser klassischen Beeren-Familie zeichnen sich durch ihren aromatischen Geschmack und durch den völlig gefahrlosen Verzehr aus. Zugegeben, es ist hier natürlich nicht von den unscheinbaren, trockenen Früchten der Besenheide oder der Erikaheide selbst die Rede. Vielmehr bietet sich die Heidelbeere als Beispiel an, ebenso damit auch die Preiselbeere, die Rauschbeere, die Moosbeere und die Bärentraube, alle einer Familie zugehörig. Nur eine nahe Verwandte, wenn auch äußerlich sehr ähnlich, ist hierzu die Schwarze Krähenbeere ( sie ist leicht giftig). Plötzlich haben wir da schon eine ganze Reihe von Beeren, und manch einem überzeugten Liebhaber der einheimischen Natur wird deutlich, daß ihm noch nicht einmal alle Beeren seiner nächsten Umgebung bekannt sind. Aber wir haben das große Glück, daß im "Einsatzbereich" unseres AKN alle diese Beerenarten wild wachsend vorkommen, und nähme man an allen "Arbeitseinsätzen" regelmäßig teil, wären einem schon sämtliche gezeigt worden. Nach der Betrachtung draußen vor Ort und nach unseren praktischen Schutzmaßnahmen bietet es sich an, die Pflänzchen in der Theorie hier kurz zu präsentieren.
Die Heidelbeere – Diese wird jedermann kennen und erkennen, weswegen ich auf eine nähere Vorstellung verzichte.
Die Preiselbeere – Sie fällt der Allgemeinheit schon seltener ins Auge. Gut erkennbar wird sie schon ab Mai mit ihren kleinen weißen Blüten, die im Juni die ersten roten Früchte hervorbringen. Die Preisel- oder Kronsbeere wird bekanntlich im Haushalt bei der Zubereitung von Mahlzeiten verwendet, wobei ihr im Vergleich zur Heidelbeere herber Geschmack hervorgerufen wird durch den viel höheren Gehalt an Gerbstoffen. Dafür enthalten die Früchte aber viel Vitamin C. Wie viele aus ihrer Familie ist sie eine gute Bienenweide.
Die Rauschbeere – ist rein äußerlich der Heidel- und der Preiselbeere sehr ähnlich, die Pflanze wird aber größer (bis zu einem Meter hoch), die Beere ist ebenfalls rötlich. Die anderen Bezeichnungen für die Pflanze Moorbeere und Trunkelbeere geben Auskunft über ihren natürlichen Lebensraum, bei uns im Everstorfer und im Großen Moor in verstreuten Gruppen stehend, bzw. (wie auch schon die Silbe "Rausch-") einen Hinweis auf die Folgen des Verzehrs. Nun ist es so, daß die Bezeichnung Trunkelbeere wohl geeigneter ist, den Zustand zu beschreiben, der nach Aufnahme größerer Mengen eintritt. Ein wirklicher Rausch ist nur nach sehr vielen Früchten zu erwarten. Die Bezeichnung ergab sich aus der früheren Verwendung der Beeren zur Zubereitung einer Rauschdroge für religiöse Rituale. Schon mehrere Hunderte von Jahren ist es her, daß auch in unseren Breiten Priester, einem Medizinmann ähnlich, bei verschiedenen feierlichen Anlässen ihres Stammes den Stammesmitgliedern eine Halluzinationen hervorrufende Droge verabreichten. Verwendet wurde hierfür getrockneter Fliegenpilz, der wegen der Gefahr einer tödlichen Überdosierung vor Verwendung mit Rentiermilch oder eben mit Rauschbeerensaft "gestreckt" wurde. Deutlich wird dabei die Verbreitung der Rauschbeere zur damaligen Zeit. Während ein Fliegenpilz teuer gehandelt wurde, war der Saft der Rauschbeere ein billiges Streckmittel, eine Massenware offenbar. Nun hat die Anzahl der Stammesrituale in den Mooren deulich abgenommen, damit sind wir vielleicht ganz zufrieden, was aber leider auch zurückging und noch zurückgeht, ist der Bestand der Rauschbeere. Diese verschwindet ganz unauffällig und im Vergleich zu den rituellen Drogen völlig ohne Ersatz aus unserer Landschaft.
Die Moosbeere – Bleibt man im moorigen Gebiet, am besten im Hochmoor, so stößt man auf die kleine Moosbeerenpflanze. Ganz unscheinbar wächst sie flach am Boden kriechend über feuchte, torfige Flächen, die von der Sonne beschienen werden und nicht von hohem Gras überwuchert sind. Im späten Frühjahr entwickelt sich die hübsche aber unauffällige feine Blüte. Im Herbst trägt die Pflanze dann ihre Moosbeeren, rot-gelbe, eiförmige Früchte. Sie sind sehr gut eßbar und sollen nach dem ersten Frost besonders wohlschmeckend sein. Diese Pflanze ist wie viele Moorpflanzen eine typische "Drauftrete-Pflanze", man zertritt im Allgemeinen mehrere Moosbeeren bevor man erkennt, daß man sich inmitten einer ihrer Bestände bewegt. Man findet sie gut entwickelt im "Großen Moor bei Wistedt", aber auch in vielen Hochmoorrestgebieten in der Umgebung von Tostedt.
Die Bärentraube –ein ungewöhnlicher Name und eine ungewöhnliche Pflanze. Neben der Bezeichnung Wolfsbeere hat sich besonders der Name Bärentraube durchgesetzt, erkennbar auch im wissenschaftlichen Namen Arctostaphylos uva-ursi. ( Arctostaphylos von arctos, griechisch: Bär; staphyloe, griech.: Traube; und uva-ursi von uva, latein.: Traube; ursus, latei.: Bär.). Sehr nahe liegt die Vermutung, daß die Pflanze ihren Namen nach ihrer typischen Heimat Nordeuropa erhalten hat, wo besonders in Skandinavien noch heute Bär und Bärentraube friedlich nebeneinander leben. Als Arzneipflanze ist sie "der Stolz ihrer ganzen Familie". Auch sie wächst auf dem Boden kriechend, ist immergrün und hat vom frühen Frühjahr an weiße, kleine, wachsartig überzogene Blüten, die saftige, eßbare Beeren hervorbringen. Die ledrigen Blätter enthalten das seit dem Mittelalter genutzte und seit dem 18.Jahrhundert bekannte Arbutin, ein bakterientötender Stoff. Das Arbutin ist sehr gut wirksam gegen Harnwegsinfektionen, weshalb man es inzwischen natürlich auch schon in Tabletten kaufen kann. Wieder einmal "Familienangelegenheit" ist der Gehalt an Arbutin, auch Besenheide, Preisel-, Heidel- und Rauschbeere enthalten es in ihren Blättern, aber in z.T. sehr viel kleineren Mengen. Immerhin erklärt dies die gelegentliche Anwendung von Preiselbeerblättern in Blasen- und Nierentees. Man sieht, oder besser vielleicht man übersieht die Bärentraube z.B. in Handeloh an der Strecke der "Heidebahn" Richtung Schneverdingen.
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Die Früchte der Preiselbeere enthalten viel Vitamin C
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